Marion Aicher-Jakob/ Anja Seifert

Kommunikation und Partizipation in Schule und Unterricht

Paderborn: Brill Schöningh 2024
(224 S; ISBN 9783825261931; 24,00 EUR)

Marion Aicher-Jakob und Anja Seifert setzen sich in ihrem Buch ‚Kommunikation und Partizipation in Schule und Unterricht‘“ mit der zentralen Bedeutung von Kommunikation und Partizipation als Prinzipien schulischer Lern- und Bildungsprozesse auseinander. Es richtet sich an Lehrkräfte in allen Phasen ihrer beruflichen Laufbahn, von der Ausbildung bis zur Weiterbildung, sowie an Studierende und Quereinsteiger:innen. Ziel des Buches ist es, theoretische Grundlagen mit praxisnahen Ansätzen zu verbinden, um die Reflexion institutioneller Kommunikationsstrukturen und die Förderung partizipativer Unterrichtsformen zu unterstützen. Die Autorinnen greifen dabei auf interdisziplinäre Ansätze aus der Erziehungswissenschaft, Sprachwissenschaft und Soziologie zurück, um die komplexen Zusammenhänge von Kommunikation, Lernen und Partizipation zu beleuchten.

Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert, die sowohl theoretische als auch praktische Aspekte beleuchten. Jedes Kapitel beinhaltet Reflexionsfragen für die Betrachtung der eigenen Praxis und schließt mit je zwei bis drei Arbeitsaufgaben und einem eigenen Literaturverzeichnis ab, was die eigenständige Vertiefung der ausgewählten Themenbereiche fördert.
Das erste Kapitel führt in die Bedeutung von Kommunikation und Partizipation als zentrale Entwicklungsaufgaben im schulischen Kontext ein. Es beleuchtet relevante Kommunikationsmodelle und -theorien, die das Verständnis von Kommunikation in der Schule prägen, und analysiert die strukturellen Bedingungen schulischer Kommunikation. Zudem wird der Zusammenhang zwischen Macht und Sprache im Unterricht untersucht, wobei interdisziplinäre Ansätze der Sprach- und Praxisforschung herangezogen werden. Diese Analyse von Kommunikationsstrukturen und deren Einfluss auf Partizipation bildet den theoretischen Rahmen für die weiteren Kapitel.

Das folgende Kapitel widmet sich verschiedenen Formen von Unterrichtsgesprächen und deren didaktischen Zielsetzungen. Es unterscheidet zwischen freien und gelenkten Gesprächsformaten und analysiert deren Potenziale sowie inhärente Herausforderungen. Dabei wird Sprache sowohl als Lerngegenstand als auch als Medium für Bildungsprozesse betrachtet. Die Planung und Reflexion dieser Unterrichtsgespräche wird als wesentlich für deren Funktion im Unterricht betont, wobei die Konzentration auf Lehrer:innenfragen die Grenzen partizipativer Ansätze aufzeigt.

Im dritten Kapitel wird die Rolle von Sprachvermögen und Verstehen als Voraussetzungen für Partizipation im Unterricht untersucht. Es wird aufgezeigt, wie Sprachbarrieren und unterschiedliche sprachliche Kompetenzen die Partizipation beeinflussen können. Partizipative Gesprächsformate wie Morgenkreis und Klassenrat werden hinsichtlich ihrer Chancen und Grenzen analysiert. Die Bedeutung einer kontinuierlichen Sprachförderung wird betont, um Partizipationsprozesse nachhaltig zu unterstützen.

Das vierte Kapitel hebt die Bedeutung von Kinderfragen im Unterricht hervor. Es wird argumentiert, dass Kinderfragen nicht nur das Bildungsinteresse der Schüler:innen sichtbar machen, sondern auch als Ausgangspunkt für die Gestaltung und Klärung von Unterrichtsgegenständen dienen können. Die Integration von Kinderfragen wird als Möglichkeit betrachtet, den Unterricht stärker an den Perspektiven und Interessen der Lernenden auszurichten. Aufgezeigt und damit als Denkanregung mitgegeben wird die Unterscheidung zwischen Kinderfragen und schulisch „überformten“ (116) Fragen.
Das Philosophieren mit Kindern wird im fünften Kapitel als Methode vorgestellt, um demokratische Kompetenzen zu fördern und Kinderfragen in den Mittelpunkt zu stellen. Verschiedene methodische Ansätze werden beschrieben.

Das sechste Kapitel „Gespräche im Kontext von Lernen und Leistung“ (157) analysiert, wie Gespräche mit Schüler:innen, Eltern und weiteren Bildungsbeteiligten die Leistungsentwicklung unterstützen können. Die Bedeutung von Feedback und der Einsatz von Instrumenten wie Lerntagebüchern und Portfolios werden hervorgehoben, um einen dialogischen Austausch über Lernprozesse zu fördern. Gleichzeitig wird auf die Spannungsfelder zwischen pädagogischen und gesellschaftlichen Funktionen der Leistungsbeurteilung eingegangen. Übergangsgesprächen und Ablaufplänen für Gespräche wird ein besonderer Raum gewidmet.

Das abschließende Kapitel diskutiert die Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich aus der Vielfalt in Schule und Unterricht ergeben. Es wird untersucht, wie sprachliche Praktiken und Kommunikationsstrukturen zu Inklusion und Teilhabe aller Schüler:innen beitragen können. Besondere Aufmerksamkeit wird der geschlechtersensitiven Sprache und der Reflexion von Differenzherstellung durch sprachliche Praktiken gewidmet. Die Notwendigkeit einer diversitätsgerechten Lehrer:innenbildung wird betont, um den Umgang mit Heterogenität und Differenz zu verbessern.

Das Buch bietet eine interdisziplinäre Perspektive, die den theoretischen Rahmen erweitert und die Relevanz des Themas unterstreicht. Die klare und präzise Sprache macht das Buch auch für Leser:innen ohne tiefere Vorkenntnisse zugänglich. Besonders hervorzuheben ist die praxisorientierte Herangehensweise mit zahlreichen Beispielen, Reflexionsfragen und Arbeitsaufgaben, die es den Leser:innen ermöglichen, die Inhalte auf die eigene Arbeit zu übertragen.

Die Themenwahl für die einzelnen Kapitel wirkt teilweise unsystematisch. Ein durchgängiger roter Faden ist nicht immer erkennbar, wobei jedoch zentrale Themen im Bereich Kommunikation im schulischen Feld angesprochen werden. Die Kapitel können unabhängig voneinander gelesen werden, was Flexibilität und persönliche Schwerpunktsetzung ermöglicht. Die breite thematische Ausrichtung erschwert in einigen Abschnitten eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten. So wird beispielsweise die Rolle digitaler Kommunikation nur am Rande erwähnt, obwohl sie in der Schulpraxis immer mehr an Bedeutung gewinnt. Auch die Vorteile von Klassenrat und Morgenkreis werden zwar betont, doch deren praktische Herausforderungen bleiben unterbeleuchtet. Die Problematik einer „Scheinpartizipation“ (99) wird nur am Rande gestreift, ohne tiefere Analyse oder Fallbeispiele. Zudem bleibt die Perspektive der Schüler:innen weitgehend unberücksichtigt. Während Lehrkräfte ausführlich thematisiert werden, hätte die Einbindung der Sichtweisen von Schüler:innen die Diskussion bereichern können.

‚Kommunikation und Partizipation in Schule und Unterricht‘ von Marion Aicher-Jakob und Anja Seifert ist ein in weiten Teilen gelungenes Werk, das theoretische Grundlagen und praktische Ansätze miteinander verbindet. Die klare Struktur, die verständliche Sprache und die praxisnahen Beispiele machen es zu einer wertvollen Ressource für Lehrkräfte und Studierende. Die praxisorientierten Arbeitsaufgaben und Reflexionsfragen unterstützen die Leser:innen dabei, die Inhalte auf ihre eigene Arbeit zu übertragen. Trotz dieser unterstützenden Elemente bleibt die praktische Umsetzung der Inhalte jedoch stellenweise unklar. Der versprochene Theorie-Praxis-Transfer wird zwar durch Reflexionsfragen und Aufgaben angeregt, vollzieht sich jedoch primär auf einer reflexiven Ebene und weniger in Form konkreter handlungspraktischer Anleitungen. Zur tatsächlichen Implementierung in die Unterrichtspraxis erscheint daher eine ergänzende Auseinandersetzung mit weiterführender Fachliteratur notwendig.

Gleichzeitig überzeugt das Buch auf theoretischer Ebene durch seine interdisziplinäre Fundierung und die kritische Auseinandersetzung mit zentralen gesellschaftlichen Fragestellungen im Kontext Schule wie Macht, Diskriminierung oder Othering. Das Buch leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Gestaltung von Schule und Unterricht im 21. Jahrhundert und bietet wertvolle Impulse für die Reflexion und Weiterentwicklung von Kommunikations- und Partizipationsprozessen im schulischen Kontext.

Cathrin Reisenauer (Innsbruck)

Zur Zitierweise der Rezension
Cathrin Reisenauer (Innsbruck): Rezension von: Marion Aicher-Jakob/ Anja Seifert: Kommunikation und Partizipation in Schule und Unterricht. Paderborn: Brill Schöningh 2024 (224 S; ISBN 9783825261931; 24,00 EUR). In: EWR 24 (2025), Nr. 4 (Veröffentlicht am: 20. November 2025), URL: https://ewrevue.de/2025/11/kommunikation-und-partizipation-in-schule-und-unterricht/