Eine empirische Annäherung an das Profil evangelischer Schulen in Subsahara-Afrika
Münster/New York: Waxmann 2024
(156 S; ISBN 978-3-8309-4896-4; 29,90 EUR)
Evi Plötz ist seit 2017 wissenschaftlich Mitarbeiterin an der Universität Bamberg und promovierte dort mit der hier rezensierten Arbeit bei Prof. Annette Scheunpflug. Die Autorin beschäftigt sich im vorliegenden Band mit nicht-staatlichen evangelischen Schulen in Sub-Sahara-Afrika und ihrer speziellen Rolle für die globale Bildung. Hierfür operationalisiert sie zunächst den Begriff der „evangelischen Schule“: „Evangelische Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einerseits Schulen sind, also einem (staatlichen) Bildungsauftrag verpflichtet sind und zu der Bereitstellung von Bildung für alle beitragen. Anderseits sind sie evangelisch und sind damit religiöse Institutionen, die diesen Bildungsauftrag unter besonderer Perspektive einzulösen versuchen“ (9). Dabei schließt die Veröffentlichung nahtlos an andere Bände der Autorin mit einem ähnlichen Fokus zu evangelischen Schulen bzw. globaler Bildung an. Die Autorin eröffnet den Band mit der steilen These, dass der Faktor konfessioneller Schulen für die globale Bildung generell unterschätzt werde und die Bedeutung konfessioneller Schulen in einer globalisierten Welt überdacht werden sollte. Trotz rückläufiger Mitgliederzahlen in Deutschland sind christliche Religionen weltweit diejenigen mit der größten Mitgliederzahl. Hierzulande wird „evangelisch“ meist mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) assoziiert [1]. Dabei beschränkt sich die evangelische Trägerschaft in Deutschland auf eine Schülerschaft von 211.000 in insgesamt 1.027 Schulen [2]. Generell sind in Deutschland nicht-staatliche Schulen in der absoluten Minderheit und so auch konfessionelle Schulen [3]. Global betrachtet kann Bildung jedoch nicht überall als staatlich garantiert vorausgesetzt werden, weshalb die Agenda Bildung 2030 der UNESCO gerade auch den gleichberechtigten Bildungszugang anstrebt [4].
In diesem Kontext untersucht Plötz das Verhältnis von Religion, Schule und dem Anspruch globaler Bildung anhand der Analyse von Schulprofilen evangelischer Schulen in Subsahara-Afrika. Als beispielhafte Auswahl dienen hierzu Schulen in Kamerun, der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Tansania. Dabei wird „evangelisch“, auch aufgrund der großen Bandbreite an Konfessionen in den gewählten Ländern, weit ausgelegt. Evangelisch „umfasst im Kontext dieser Studie alle kirchlichen Gruppierungen, die als christlich angesehen werden, aber nicht katholisch oder orthodox einzuordnen sind“ (12). Die Autorin nähert sich der Pluralität der Schulprofile durch qualitative Expert*inneninterviews sowie quantitative Daten aus einem eigens erstellten Fragebogen an. Die Interviews geben einen ausführlichen Einblick in die Beschaffenheit der Schulprofile und Gegebenheiten vor Ort. Der Fragebogen umfasst eine große Bandbreite an Fragen zum christlichen Schulprofil und Selbstverständnis der Schulen, wobei durch die Antwortmöglichkeiten teils Deckeneffekte zustande kommen.
Dabei geht Plötz zunächst auf den Kontext evangelischer Schulen in Subsahara-Afrika sowie die Bedeutung christlicher Kirchen als „Orte der Gemeinschaft“ (20) ein. Es folgen Beschreibungen zu Formen und Funktionen von nicht-staatlichen Schulen, ihrer Finanzierungslage sowie Porträts der untersuchten Länder. In diesen Porträts geht die Autorin auf die lokale Lage und Gegebenheiten sowie die evangelischen Konfessionen, ihre insbesondere durch Kolonialismus geprägte Geschichte aber auch auf die derzeitige Bildungssituation der Länder ein. Dabei bewertet sie die Situation der evangelischen Schulen und so auch der Schulprofile insgesamt als heterogen. Im dritten Kapitel schließen sich die Charakteristika von Schulen in evangelischer Trägerschaft an, wobei auf Selbstverständnis und normative Ansprüche, den Stand der Forschung zu evangelischen Schulprofilen und Module eines evangelischen Schulprofils eingegangen wird, um danach die Fragestellung in Kapitel vier weiter zu präzisieren. Die fünf evangelischen Sola-Aussagen, als Grundsätze des evangelischen Religionslebens, werden dabei als Kern der religiösen Bildung mit „verschiedenen Ansprüchen“ benannt (48). „Die innere Vielfalt“ der evangelischen Kirchen spiegelt sich dabei in den Schulprofilen durch die unterschiedliche Gewichtung der Glaubensgrundsätze und der religiösen Ausrichtung im Verhältnis zur allgemeinen Bildung. Im fünften Kapitel werden mit einer Erläuterung der Forschungsmethode die Schritte bei der Erstellung des Fragebogens sowie die Vorgehensweise bei der Datenerhebung- und -auswertung beschrieben. Die Auswertung der Fragebögen bildet die Grundlage für die folgenden Kapitel, in denen die Ergebnisse kategorial geclustert werden. Jede Kategorie des Fragebogens enthält dabei diverse Fragen als Items, die mit unterschiedlichen Zustimmungsskalen verknüpft sind.
Anschließend erläutert Plötz die Rahmenbedingungen der Daten mit Angaben zu den Befragten, den Trägerkirchen, der Schulart, der Finanzierung sowie der Größe und Lage, der untersuchten Schulen. Die Module eines evangelischen Schulprofils werden daraufhin ausführlich mithilfe eines großen Fragenkatalogs untersucht. Die religiöse Heterogenität der Lernenden und Lehrkräfte zeigt eine generelle Offenheit, wobei immer wieder der Wunsch artikuliert wird, dass nicht-religiöse Lehrkräfte das evangelische Profil respektieren. „Die Befragten äußern sich mehrheitlich offen gegenüber religiöser Heterogenität der Schüler*innen, wenngleich bei der tatsächlichen Zusammensetzung […] ein Trend dahingehend besteht, dass die Schulen überproportional von evangelischen […] besucht werden“ (103). Bei den Allgemeinen Bildungszielen liegt ein Fokus darauf, „auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten“ (108). Gleichsam gehen zukünftige Aufgaben ohne gesellschaftlichen oder kulturellen Fokus dabei jedoch im Verhältnis zum Lebensbezug mit diversen Gewichtungen unter. Der gemeinsame Nenner besteht darin, eine bestmögliche Bildung und eine christliche Identität zu vermitteln, unter Vernachlässigung ökonomischer und individualistischer Motive. Beim Schulklima „zeigen sich im Durchschnitt aller untersuchten Schulen hohe Zustimmungswerte bei allen Items“ (112). Weiterhin wird die Einstellung gegenüber Lehr- und Unterrichtsmethoden, spezifischer Ziele des Unterrichts und religiöser Bildung untersucht.
Abschließend bringt die Verfasserin die Diversität der verschiedenen Schulprofile und Länder zum Ausdruck und klassifiziert evangelische Schulen als Orte qualitativ hochwertiger und religiöser Bildung. Die Qualität wird daraus abgeleitet, dass die evangelischen Schulen großteils im oder über dem Durchschnitt ausgestattet sind, was auch bei anderen Qualitätsmerkmalen bspw. mit zusätzlicher religiöser Bildung zutrifft. Diese Qualität, die in den Fragebögen offenbar wird, erreichen evangelische Schulen als öffentliche Schulen in nicht-staatlicher Trägerschaft, die „zahlenmäßig zu den Bildungssystemen […] [aber auch zu einer] inhaltliche[n] Pluralität“ beitragen (136). Evangelische Schulen helfen so in Räumen wie bspw. Subsahara Afrika zur besseren und diverseren Schulabdeckung und so auch bei der Agenda 2030 und leisten so einen wichtigen Beitrag für die globale Bildung. Der Stellenwert der Religion und die daraus resultierende Bedeutung religiöser Bildung müssen neben der Abdeckung der Bildung im globalen Kontext somit mitgedacht werden.
Der Mehrwert, den dieses Buch hinsichtlich einer Verknüpfung evangelischer nicht-staatlicher Schulen mit Konzepten globaler Bildung in Subsahara-Afrika bietet, ist hoch. Die Gemeinsamkeiten evangelischer Schulen aber auch ihre Heterogenität und somit ihr Beitrag zur Bildung werden klar herausgestellt. Gerade die methodische Herangehensweise der Autorin eröffnet interessante Perspektiven auf die schulische Bildung in den vier untersuchten Ländern. Die Aktualität des Buches liegt mitunter in der Agenda Bildung 2030 und der erhellenden Untersuchung, welchen Beitrag evangelische Schulen zu Fragen der globalen Bildung leisten können. Kritik lässt sich bezüglich der Breite der Kategorisierung „evangelisch“ anbringen, die aufgrund der untersuchten Länder sinnvoll erscheint, jedoch aus einer nicht-globalen Perspektive zunächst missverständlich wirkt, da evangelisch im Kontext eines Landes sehr diverse Glaubensausprägungen miteinschließt oder exkludiert. Evi Plötz liefert so ein gutes Einstiegsbuch für globale Bildung im Kontext evangelischer Schulen in Subsahara Afrika. Speziell die Auseinandersetzung mit Schulprofilen in diesem Kontext in Verbindung mit den christlichen Privatschulen kann als Alleinstellungsmerkmal hervorgehoben werden. Das Buch bereichert so die Debatte um private Schulen im globalen Horizont.
[1] EKD (2025). Gliedkirchliche Zusammenschlüsse. Abgerufen am 23. April 2025 von www.ekd.de/Gliedkirchliche-Zusammenschluesse-UEK-VELKD-10775.htm
[2] EKD (2025). Evangelische Schulen. Abgerufen am 23. April 2025 von www.ekd.de/evangelische-schulen-41975.htm
[3] Helbig, M. (2024). Soziale Spaltung und das System Schule. Das soziale Auseinanderdriften der Schulen und die Privatschulexpansion der Grundschulen als deren Symptom. In R. Koerrenz & N. Berkemeyer (Hg.), System Schule auf dem Prüfstand (S. 83-91). Beltz Juventa Verlag.
[4] UNESCO (o.J.). Die Agenda Bildung 2030. Abgerufen am 23. April 2025 von www.unesco.de/themen/bildung/globale-bildungsagenda/