Marc Fabian Buck

Ökonomisierung der Bildung

Eine Einführung
Weinheim: Beltz Juventa 2024
(106 S.; ISBN: 978-3-7799-7792-6; 22,00 EUR)

In den letzten ca. 25 Jahren ist es in Deutschland zu tiefgreifenden Veränderungen im Bildungssystem gekommen, welche oft unter der Bezeichnung „Ökonomisierung der Bildung“ gefasst werden. Auf der Hochschulebene etwa fanden im Rahmen der Bologna-Reform starke Umbrüche statt und die Einführung allgemeiner Studiengebühren als ein entscheidendes, in vielen anderen Staaten bereits etabliertes Element der Ökonomisierung der Hochschulen wurde diskutiert, aber nicht vollzogen oder wieder rückgängig gemacht (etwa in Hessen [1]). Diesen sowie weiteren Phänomenen und Debatten widmet sich die Monographie „Ökonomisierung der Bildung. Eine Einführung“ von Marc Fabian Buck aus dem Jahr 2024.

Aus einem Studienbrief an der Fernuniversität Hagen entstanden, richtet sich das Buch an Bachelorstudierende und Schüler:innen der Sekundarstufe II (12). Die Ansprache ist aus dem Studienbrief übernommen: Es werden direkt Studierende der Pädagogik angesprochen, es wird auf ihr Vorwissen aus der Schule rekurriert und Ausblicke auf den weiteren Studienverlauf werden gegeben (z.B. 84).

Das Buch ist klar strukturiert und in drei Teile gegliedert. Nach einer Einleitung folgt der Hauptteil: „Definitionen und theoretische Zugänge zur Ökonomisierung“. Abgerundet wird das Buch durch Beispiele der Ökonomisierung aus fünf pädagogischen Bereichen.

In der Einleitung werden grundlegende Annahmen und Begriffe geklärt. Das Buch basiert mit Verweis auf Eugen Fink auf der Annahme, dass es unterschiedliche gesellschaftliche Praxen mit je eigenen Bezügen und Aufgaben gibt. Normativ gesetzt wird mit Dietrich Benner, dass „keine Praxis über einer anderen stehen und deren jeweilige Handlungslogik beeinflussen soll“ (15). Mit ‚Ökonomisierung der Bildung‘ wird nun die Verletzung dieses Grundsatzes beschrieben: Die ökonomische Logik beeinflusst die Sphäre des Pädagogischen – und zwar weit über den zum pädagogischen Handeln gehörigen „Umgang mit Knappheit“ (14) hinaus. Es handelt sich dabei um eine bestimmte ökonomische Logik – eine betriebswirtschaftliche (25, 77, 88), manageriale (88) und eben eine, die das „Knappheitsproblem“ (78) ins Zentrum setzt. Die Art der Beeinflussung ist dabei offen und unterschiedlich möglich; Buck schlägt Varianten vor, eine solche „Ökonomisierung“ [Hervorhebung im Original] zu denken: „als Annäherung, als Vermittlung, als feindliche Übernahme oder gar als Einladung durch die Pädagogik?“ (16).

Bezüglich der Begriffsverwendung von ‚Bildung‘ wird ein soziologischer von einem pädagogischen Gebrauch unterschieden. „Soziologisch bedeutet Bildung Teilhabe am Bildungssystem einer Gesellschaft“ (13). Hier stehen etwa Bildungsabschlüsse, Zugänge zu Institutionen und deren Abhängigkeit von Geschlecht und Herkunft im Vordergrund. „Im pädagogischen Sinne bedeutet Bildung jedoch seit der Antike etwas anderes“ (ebd.). Hier wird Bildung in knappem Rekurs auf Bildungstheorien von Wilhelm von Humboldt bis Hans-Christoph Koller vor allem im Sinne einer „Transformation […] des Selbst- und Weltverhältnisses“ (13) gefasst. In einer ausführlichen Fußnote werden weitere Referenzen und Anknüpfungspunkte genannt (14), wodurch die Komplexität des pädagogischen Bildungsbegriffs angemessen eingeholt wird. Buck verwendet ‚Bildung‘ in seiner Einführung in beiden beschriebenen Gebrauchsweisen: „In unserem Fall verstehen wir Bildung nicht nur als soziologische Messgröße, […] sondern als elementaren Teil pädagogischen Denkens und Handelns und gehen somit über die zählend-beschreibende Ebene hinaus“ (ebd.).

Im Hauptteil werden drei theoretische Zugänge vorgestellt und ausgeführt. Mit dem Ökonomisierungskonzept von Uwe Schimank und Ute Volkmann wird zunächst ein Ansatz der Systemtheorie in Anschluss an Niklas Luhmann präsentiert (22). Schimank und Volkmann gehen von einer Differenzierung moderner Gesellschaften in verschiedene Sphären mit je eigenen Leitwerten aus. Die ökonomische Sphäre sehen sie als geprägt von „Gewinnerzielung und -steigerung“ (23) an. Entsprechend kann mit Hilfe einer „Ökonomisierungsskala“ (27) in sieben Stufen erhoben werden, wie stark z.B. Organisationen an diesem Ziel orientiert (also in diesem Sinne ökonomisiert) sind. Das allgemein gehaltene Konzept von Schimank und Volkmann, das Ökonomisierungsprozesse in vielen unterschiedlichen Sphären beschreibt, wird von Buck entlang der „Merkmale der Ökonomisierungsdynamik in sechs Schritten“ (31) explizit auf den pädagogischen Bereich übertragen. Als zweites wird Ökonomisierung in Anschluss an Pierre Bourdieu präsentiert. Dies ist gleichzeitig eine Einführung in Bourdieus Denken, indem zentrale Konzepte wie Habitus oder das Kapitalsortensystem anschaulich erläutert werden. Mit Verweis auf Thomas Höhne wird hier eine feldtheoretische Untersuchung der Ökonomisierung vollzogen – mit explizitem Bezug auf das „Feld der Bildung“ (56). Drittens erfolgt in Anschluss an Michel Foucault und Ulrich Bröckling eine Perspektive auf Ökonomisierung, die das Selbst und dessen Regierungsformen fokussiert. Auch hier erfolgt eine Einführung in Foucaults Denken sowie in Subjektivierungstheorien und Bröcklings Konzept des Unternehmerischen Selbst. Am Beispiel „Pädagogische[r] Ich-AGs“ (76) wird die fundamentale Änderung leitender Ideen im pädagogischen Bereich eindrucksvoll illustriert. Der Hauptteil schließt mit einem Ausblick auf weitere Perspektiven auf Ökonomisierung, indem knapp auf die Analysen von Edgar Forster und Madeleine Scherrer, in denen die Ökonomisierung von Zeit im Mittelpunkt stehen, sowie auf Georg Francks Reflexionen zur Ökonomie der Aufmerksamkeit eingegangen wird.

Die Argumentation in dem theoretisch anspruchsvollen Hauptteil ist stets nachvollziehbar, die beschriebenen Werke werden zugänglich gemacht und durch Formulierungen wie „Denken Sie an …“ an die Lebenswelt der Adressat:innen rückgebunden, etwa: „Denken Sie hier bspw. an den immer schlechter werdenden Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten oder in der Krankenpflege“ (42).

Auf der Basis der vorgestellten theoretischen Zugänge werden im letzten Kapitel pädagogische Beispiele der Ökonomisierung aus den fünf Bereichen Kindheit, Schule, Hochschule, Erwachsenenbildung/Weiterbildung sowie Sozialpädagogik ausgeführt. In diesen gut gewählten Beispielen werden insbesondere die Widersprüche deutlich, die entstehen, wenn verschiedene Logiken und Zielsetzungen aufeinandertreffen. Wenn etwa in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung teilweise im Sinne einer Effizienzlogik rücksichtslos mit „Momente[n] der Verzögerung, des Innehaltens und der Umwege“ (93) umgegangen wird, werden genau diejenigen Elemente verhindert, denen Autor:innen wie Andreas Dörpinghaus, die Buck an dieser Stelle anführt, ein besonders großes Potential für Bildungsprozesse zusprechen. Dieses Kapitel erweist sich als anregend für die Reflexion der eigenen Bildungserfahrung und -praxis sowie als aufschlussreich durch Einblicke in Bereiche, mit denen die Leser:innen wenig Berührungspunkte haben.

Insgesamt handelt es sich bei dem Buch „Ökonomisierung der Bildung“ um eine gut lesbare und sachlich kohärente Einführung in das Thema. Didaktische Elemente wie Reflexionsfragen am Ende von Kapiteln strukturieren und orientieren das Buch zusätzlich. Der Personenkreis, für den diese Einführung lohnend ist, übersteigt meiner Einschätzung nach deutlich die vom Autor genannte Gruppe von Schüler:innen und Bacherlorstudierenden und umfasst u.a. auch Erziehungswissenschaftler:innen jenseits des Bachelorstudiums, die sich dem Thema einführend und vertiefend nähern möchten. Insbesondere durch die zahlreichen Verweise, Anknüpfungen und Hinweise zum Weiterlesen ist das Buch hierfür sehr gut geeignet.

[1] Preuß, M. (2008). Hessen kippt seine Studiengebühren. Tagesspiegel. www.tagesspiegel.de/politik/hessen-kippt-seine-studiengebuhren-1655134.html

Zur Zitierweise der Rezension
Gregor Eckert (Darmstadt): Rezension von: Marc Fabian Buck: Ökonomisierung der Bildung. Eine Einführung. Weinheim: Beltz Juventa 2024 (106 S.; ISBN: 978-3-7799-7792-6; 22,00 EUR). In: EWR 23 (2024), Nr. 3 (Veröffentlicht am: 14. August 2024), URL: https://ewrevue.de/2024/08/oekonomisierung-der-bildung/