Olaf-Axel Burow

Wertschätzende Schulleitung

Weinheim, Basel: Beltz 2022
(131 S.; ISBN: 978-3-407-25570-9; 24,95 EUR)

Ratgeberliteratur zum Schulleitungshandeln lässt sich als eigenes Genre des Diskurses zur Schulentwicklung verstehen, denn Schulleitung wird ihrerseits als zentraler Akteur in Schulentwicklungsprozessen gesehen. Das Buch von Olaf-Axel Burow lässt sich in diesen Diskurs einreihen. Zugleich setzt es mit dem Begriff der Wertschätzung einen spezifischen Akzent, der insbesondere angesichts gegenwärtiger und künftig zu erwartender Belastungen des Schulsystems Aufmerksamkeit verdient. Sprachlich bedient sich Burow vielfach einer Performanz, die an manageriale oder Werbediskurse erinnert. Exemplarisch zeigt sich dies an seinen zentralen Begriffen Simplexity, Chance-Code und Leadership-Kompass. Der in der Schulpädagogik bekannten Kritik [1], dass aus der Ökonomie importierte Entwicklungstechnologien nicht linear auf Schule zu applizieren seien, muss sich damit letztlich auch Burows Werk stellen. Deutlich wird dies etwa, wo er die Aufgabe von Schulleitungen darin sieht, einen Rahmen zu schaffen, der es Lehrkräften und Schüler*innen „ermöglicht, ihre Potentiale in kreativer Konkurrenz zu entfalten“ (88). Das Buch bietet zugleich diverse anregungsreiche Fragen und Übungen, die eine gestaltpädagogische Signatur tragen und die der Schulleitungs- und Schulentwicklungspraxis die Gelegenheit geben können, ihr Handeln und eingeschliffene Deutungsmuster zu hinterfragen. Insgesamt ist das Buch durch einen kreativ-assoziativen Stil unter der Berücksichtigung diverser persönlicher Erfahrungen des Autors geprägt und mit vielen Beispielen aus dem schulischen und ökonomischen Bereich versehen. Burow gliedert sein Buch in drei Abschnitte, die teils inhaltliche Überschneidungen aufweisen (so existieren etwa zwei Unterabschnitte zum „Change Code“).

Der erste Abschnitt thematisiert, „was gute Schulleitung bewirkt“. Burow zeichnet zunächst ein kritisches Bild des gegenwärtigen Implikationsverhältnisses von Schule und Gesellschaft, nach welchem ein im Kontext neoliberaler Kultur gesteigerter Leistungsanspruch auch Schulen unter Druck setze und bei allen Akteur:innen Überlastungs- sowie Erschöpfungssymptome hervorbringe (etwa „Burnout-Kids“, 16). Burow leitet aus dieser Bestandsaufnahme die drei Ziele Chancengleichheit, Spitzenleistung und Wohlbefinden ab, betrachtet allerdings erstere nicht als Aufgabenbereich von Schulleitungen (24). Seine Forderung nach einer „wertschätzenden Schule“ steht mit seiner zentralen These im Zusammenhang: „Wenn es Schulleitungen also gelingt, durch den allmählichen Aufbau einer Teamkultur und die schrittweise Entwicklung eines Klimas der Wertschätzung das Engagement der Kolleg:innen für die Optimierung ihrer Erziehungs- und Unterrichtsarbeit zu steigern, dann tragen sie nicht nur zur Verbesserung der Leistungsergebnisse bei, sondern sorgen auch für einen Abbau von Belastungen“ (29). Burow entwirft im Folgenden Leitgedanken einer schulischen wertschätzenden Führung, aus der er pädagogisch im Wesentlichen reformpädagogische Formen ableitet (35ff). Insgesamt geht es ihm darum, eine abwertende Schulkultur zugunsten positiver Pädagogik zu überwinden.

Den zweiten Abschnitt, „Warum Schulleitung so schwierig ist“, beginnt Burow mit verschiedenen Kriterienkatalogen einer guten Schule (zu denen die Links leider teils unpräzise oder inzwischen aus dem Internet gelöscht sind, nachvollziehbar ist v.a. der Verweis auf die Meta-Studie von John Hattie) und beschäftigt sich dann mit der klassischen Frage, warum Wandel in der Schule so schwer hervorzubringen sei. Ihm zufolge liegen die Ursachen dafür etwa in der Mehrbelastung von Schulleitungen durch Verwaltungsaufgaben sowie in einer unzureichenden Teilhabe der Beteiligten (50). Auch „technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen“ in ihrer Vielfalt führen nach Burow zu einem Veränderungsdruck, dem viele Lehrkräfte mit Angst und Abwehr begegnen (ebd.). Nicht zuletzt verweist er auf Trägheitsmomente bei Lehrkräften, die er in einem zu dichten Lehrplan, verbunden mit einer „wachsende[n] Aufgabenfülle unter Zeitdruck“ (61f) sieht, sowie einer Reformskepsis, die der Vielzahl jüngerer Reformen und der Ungewissheit ihres Erfolgs entspringe. Zentral im Kapitel führt Burow dann mit dem „Change Code“ einen zentralen Begriff für sein Programm von Schulentwicklung ein: Die Formulierung von „drei Kernwerten“ (59), entlang derer Organisationen ihre Veränderungsprozesse ausrichten sollen. Abschließend stellt Burow seine These und politische Forderung „Gute Schule braucht Gestaltungsfreiheit!“ (66) auf, mit welcher er nahtlos an das seit den 1980er Jahren bestehende Paradigma der Autonomie der Einzelschule als pädagogische Handlungseinheit anschließt.

Im dritten Abschnitt werden konkrete Methoden vorgestellt. Hierzu werden zunächst „drei Dimensionen wirksamer Führung“ benannt und anschließend einzelne Elemente von Burows „Leadership-Kompass“ vorgestellt. Angesichts einer Vielzahl von Modellen zu Dimensionen guter Führung und im Zeichen der Komplexitätsreduktion („Simplexity“) konzentriert sich Burow auf die drei Dimensionen Salutogenese, Selbstbestimmung und Wertschätzung. Im Zeichen der Salutogenese sieht Burow es als Aufgabe von Schulleitungen an, das Gefühl von Kohärenz, d.h. nach Antonovsky Verstehbarkeit, Bedeutsamkeit und Handhabbarkeit bei Lehrkräften zu wecken. Im Zeichen der Selbstbestimmung fragt er i. S. von Deci & Ryan nach Selbstbestimmung, Kompetenzerleben und Zugehörigkeit. Den Bereich der Wertschätzung leitet Burow nicht explizit aus einem theoretischen Rahmen ab, konzentriert ihn aber auf die Aspekte einer wertschätzenden Diagnose, Vision sowie Realisierung. Anschließend wird ein Konzept für die Durchführung von Zukunftswerkstätten vorgestellt, für welches im Anhang ein detaillierterer Ablaufplan enthalten ist. Burow grenzt sein Verständnis von Leadership – wiederum entlang von Literatur aus der Ökonomie – von jenem des Managements über das Kriterium des Visionären ab und formuliert eine Reihe von Fragen, die Schulleitungen sich selbst zur Weiterentwicklung stellen können. Interessant wäre es eingedenk seiner immer wieder auftretenden Vorstellungen von Partizipation, auch entsprechende Führungskonzepte wie etwa die distributed leadership stärker zu akzentuieren [2].

Das Buch betont insgesamt unter dem Leitbegriff der Wertschätzung dankenswerterweise auch Wohlbefinden und Anerkennung als Handlungsaufgabe von Schulentwicklung, wo im schulpädagogischen Diskurs oft lediglich Chancengerechtigkeit und Leistungssteigerung als Zielrichtungen ausgegeben werden [3]. Für die Schulentwicklungspraxis sind Burows Leitbegriffe zweifellos zielführend und angemessen. Er entwirft ein allgemeines Konzept, konzentriert sich allerdings in dessen Anwendung v.a. auf Zukunftswerkstätten. Für die Praxis wäre es interessant, welche Bedeutung die von ihm fokussierte Idee von Wertschätzung auch für andere Methoden der Schulentwicklungsarbeit hätte, insbesondere die Arbeit in Arbeits- und Steuergruppen, interne und externe Evaluation, Projektmanagement usw. Zugleich sollten die aufgeführten Instrumente durch die Praxis nicht als erfolgsgarantierende Programmierungen gelesen werden. In der schulpädagogischen Diskussion erscheint hingegen gerade die Frage bedeutsam, wieso Schulentwicklung auch in Kenntnis der relevanten Instrumente immer ungewissheitsbelastet ist. Antworten darauf scheinen qualitative Studien zu geben [4], die leider in der von Burow herangezogenen Literatur eine Leerstelle darstellen. Wo Burow unter Rückgriff auf Schamer annimmt, dass man mit dessen ‚Theorie U‘ „die Routinen seines Handelns erkannt, sich von dysfunktionalen Mustern befreit“ hat, würde eine habitusbezogene Schulentwicklungsforschung eine so leichtgängige Selbstaufklärung stark infrage stellen [5]. Selbst wenn der Band damit die Forschungslage nur in Ausschnitten rezipiert und Entwicklungswissen v.a. aus der Ökonomie importiert, so bietet er doch für die Schulentwicklungspraxis Handlungsvorschläge an, die insbesondere unter der Perspektive der Wertschätzung und des Wohlbefindens lesenswert erscheinen.

[1] Bastian, J. (1998). Pädagogische Schulentwicklung. Schulprogramm und Evaluation. Bergmann + Helbig.
[2] Gronn, P. (2002). Distributed Leadership. In K. Leithwood, P. Hallinger, G.C. Furman, K. Riley, J. MacBeath, P. Gronn & B. Mulford (Hrsg.), Second International Handbook of Educational Leadership Administration (S. 653–696). Springer.
[3] Idel, T.-S., Schutz, A., & Thunemann, S. (2021). Professionalität im Handlungsfeld Schule. In J. Dinkelaker, K.-U. Hugger, T.-S. Idel, A. Schutz & S. Thunemann (Hrsg.), Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern (S. 13–82; S. 52). Verlag Barbara Budrich.
[4] Maag Merki, K. (2021). Schulentwicklungsforschung. In T. Hascher, TS. Idel & W. Helsper (Hrsg.), Handbuch Schulforschung (S. 11). Springer VS. doi.org/10.1007/978-3-658-24734-8_71-1, S. 11.
[5] Zala-Mezö, E., Häbig, J., & Bremm, N. (Hrsg.) (2021). Dokumentarische Methode in der Schulentwicklungsforschung. Waxmann.

Zur Zitierweise der Rezension
Sven Pauling (Bremen): Rezension von: Olaf-Axel Burow: Wertschätzende Schulleitung. Weinheim, Basel: Beltz 2022 (131 S.; ISBN: 978-3-407-25570-9; 24,95 EUR). In: EWR 23 (2024), Nr. 1 (Veröffentlicht am: 1. Februar 2024), URL: https://ewrevue.de/2024/02/wertschaetzende-schulleitung/